Pfarrer Kube war zwar noch in der Planungsphase für das Seminar aktiv, sagte dann aber aus Zeitgründen für das Seminar selbst ab, so dass es von DDR-Seite allein von einem kirchlichen Nordhäuser Arbeitskreis, dem sogenannten „Mittwoch Abend Gesprächskreis“ (MAGK) getragen wurde, der bereits während des Gemeindepraktikums in die Planung des Projekts mit einbezogen war. Auf westlicher Seite stellte Brüning auf dem Plenum seiner autonomen evangelischen Studentengemeinde (aESG) in Marburg die Seminaridee vor und stieß auf gute Resonanz. Es meldeten sich 16 Interessierte.
Um ein gewisses Basiswissen als Diskussionsgrundlage zur Verfügung zu haben, war noch in Nordhausen verabredet worden, dass eine Textsammlung (Reader) erstellt werden soll, die allen Teilnehmenden rechtzeitig vorher zugehen soll. Pfarrer Kube schickte einige Texte der östlichen Müntzerrezeption nach Marburg, wo dann auch die Endredaktion und die Vervielfältigung des Readers stattfand. In Nordhausen wäre die Vervielfältigung um ein vielfaches aufwendiger gewesen, da man alles auf Matrizen hätte abtippen müssen.
Bei seinem Nachbereitungsseminar für das Praktikum konnte Brüning den Vorsitzenden des EJD für das Projekt begeistern, so dass der Mindestumtausch und die Fahrtkosten aus Bundeszuschüssen für „gesamtdeutsche Begegnungen“ bestritten werden konnte. Mindestens einen Monat vorher mussten die Gastgeber aus Nordhausen einzeln für ihre westlichen Gäste Genehmigungen beantragen. Die Einreisegenehmigungen wurden jeweils für private Individualbesuche erteilt. Der Gruppencharakter und das Seminarvorhaben mussten gegenüber den DDR-Behörden verheimlicht werden. Ohne dass dafür ein Grund auszumachen war, wurde zwei Marburgern die Einreisegenehmigung nicht erteilt. Alle übrigen Teilnehmer aus der BRD konnten problemlos einreisen, obwohl die große Zahl von Marburgern, die termingleich auf einige Familien in Nordhausen verteilt einreisten, auffallen musste. Später stellte sich heraus, dass der zweite Pfarrer, bei dem Brüning sein Praktikum machte und mit dem er das Vorhaben ausführlich besprach, Wolfgang Bornschein, als informeller Stasi-Mitarbeiter eine Verpflichtungserklärung unterschrieben hatte. Dies lässt darauf schließen, dass die DDR-Behörden darüber im Bilde waren, was bei diesem, für damalige Verhältnisse äußerst ungewöhnlichen Treffen vor sich ging.
Die Reader wurden auf dem Postweg nach Nordhausen geschickt und kamen auch ohne Probleme an. Da einige Nordhäuser noch kurzfristig für das Seminar zusagten, mussten neben den eigenen Thomas-Müntzer-Readern noch einige weitere Exemplare zum Seminar selbst mit über die Grenze genommen werden. Dies führte dann zu einem penetranten und langem Verhör durch die Grenzpolizei. Aus einem PKW wurden alle Textsammlungen beschlagnahmt.
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